Absinth ist kein gewöhnlicher Schnaps. Er ist ein hochprozentiger, grüner Likör, der seit dem 18. Jahrhundert für seine mystische Wirkung und seinen bitteren Geschmack bekannt ist. Viele glauben, er sei ein Drogenlikör - doch die Wahrheit ist komplexer. Absinth enthält Wermut, Anis und Fenchel, und sein charakteristischer Geschmack kommt von natürlichen Pflanzenextrakten. Was ihn einst zum Symbol der Bohème machte, machte ihn auch zum Verbotenen.
Was ist Absinth wirklich?
Absinth ist ein destillierter Alkohol mit einem Alkoholgehalt von 45 bis 74 Prozent. Er wird traditionell aus drei Hauptkräutern hergestellt: Wermut (Artemisia absinthium), Sternanis und Gewöhnlicher Fenchel. Diese werden in einer neutralen Spirituose aufgegossen, dann destilliert - und danach oft noch einmal mit weiteren Kräutern wie Melisse, Anisblüten oder Petersilie farblich angereichert. Die grüne Farbe kommt nicht von Farbstoffen, sondern von Chlorophyll, das sich aus den Kräutern löst, wenn der Likör nach der Destillation mit Wasser verdünnt wird.
Die sogenannte Louche - das milchige Auftrüben beim Verdünnen mit Wasser - ist ein Markenzeichen echten Absinths. Es entsteht, weil ätherische Öle aus den Kräutern nicht wasserlöslich sind. Sobald Wasser hinzukommt, bilden sie kleine Tröpfchen, die das Licht streuen. Das ist kein Zeichen von Verunreinigung, sondern ein Qualitätsmerkmal.
Im 19. Jahrhundert war Absinth in Frankreich, der Schweiz und Teilen Deutschlands allgegenwärtig. Künstler wie Oscar Wilde, Charles Baudelaire und Vincent van Gogh tranken ihn. Er galt als Inspirationsquelle, als Mittel zur kreativen Entfaltung - und als Luxusgetränk für die Intellektuellen. Doch hinter der Romantik verbarg sich ein Problem: die Angst vor Thujon.
Warum wurde Absinth verboten?
Der Hauptgrund für das Verbot war Thujon, ein ätherisches Öl, das in Wermut vorkommt. In hohen Dosen kann Thujon neurotoxisch wirken - es kann Krampfanfälle auslösen, Halluzinationen hervorrufen und die motorische Kontrolle beeinträchtigen. In den 1890er Jahren begannen Ärzte und Moralaktivisten, Absinth als Ursache für psychische Erkrankungen, Gewalt und sozialen Verfall zu beschuldigen.
Ein entscheidender Moment war der Fall von Jean Lanfray, einem Schweizer Landarbeiter, der 1905 seine Familie erschoss, nachdem er mehrere Gläser Absinth, Wein und Cognac getrunken hatte. Die Presse machte Absinth zum Sündenbock - obwohl er auch Alkohol und andere Getränke konsumiert hatte. Die öffentliche Wut führte schnell zu Gesetzen: Die Schweiz verbot Absinth 1908, Frankreich 1915, und die USA 1912.
Die Angst war jedoch übertrieben. Moderne Analysen zeigen: Die Thujon-Konzentration in historischem Absinth lag meist unter 10 mg/L - weit unter den Grenzwerten, die heute als sicher gelten. Selbst bei 100 ml Absinth pro Tag wäre die Thujon-Dosis zu gering, um eine toxische Wirkung zu erzeugen. Der wahre Schädling war nicht das Kraut, sondern der hohe Alkoholgehalt - und die mangelnde Kontrolle bei der Herstellung.
Wann wurde Absinth wieder legal?
Die Legalisierung begann in den 1990er Jahren. Die Europäische Union legte 1988 Grenzwerte für Thujon fest: 10 mg/L für alkoholische Getränke mit mehr als 25% Alkohol, 35 mg/L für Bitters. Diese Werte sind so niedrig, dass selbst alte Rezepte problemlos darunter liegen. Die Schweiz legalisierte Absinth 2000, Deutschland 2005, und die USA folgten 2007 nach einer langen juristischen Auseinandersetzung.
Heute wird Absinth in der Schweiz, Frankreich, Tschechien, Österreich und Deutschland wieder hergestellt - oft mit modernen, kontrollierten Destillationsmethoden. Die alten Rezepte wurden nicht einfach kopiert, sondern angepasst, um Sicherheit und Qualität zu gewährleisten. Einige Hersteller verwenden sogar biologisch angebaute Kräuter und verzichten auf künstliche Farbstoffe.
Die meisten heutigen Absinthe enthalten weniger Thujon als die meisten Kräutertees. Ein einziger Becher Kamillentee kann mehr Thujon enthalten als ein Glas Absinth - und niemand verbietet Tee.
Wie wird Absinth heute getrunken?
Die traditionelle Zubereitung ist ein Ritual. Man gießt einen kleinen Schluck Absinth (20-30 ml) in ein Glas, legt einen speziellen Löffel mit einer Zuckerklötze darauf und gießt langsam eisgekühltes Wasser darüber. Der Zucker löst sich, das Getränk trübt sich milchig - und die Aromen entfalten sich. Es wird nicht geschnappt, sondern langsam genossen - wie ein guter Wein.
Die sogenannte „Absinth-Flamme“ - das Anzünden des Zuckers - ist ein moderner Trick, der in der Tradition nicht vorkommt. Sie stammt aus den 1990er Jahren, als Absinth wieder populär wurde und Barkeeper nach spektakulären Präsentationen suchten. Echte Absinth-Trinker halten das für unedel: Es verbrennt die ätherischen Öle und zerstört den Geschmack.
Was ist heute legal und was nicht?
In der EU und den USA ist Absinth legal - solange er den Thujon-Grenzwerten entspricht. In Deutschland ist er seit 2005 wieder erlaubt. Die meisten handelsüblichen Absinthe enthalten zwischen 1 und 5 mg Thujon pro Liter - weit unter der legalen Obergrenze. Es gibt jedoch noch immer falsche Produkte auf dem Markt: billige „Absinth-Alternativen“ mit künstlichen Aromen, Farbstoffen und hohem Alkoholgehalt, die keinen echten Wermut enthalten.
Wenn Sie echten Absinth kaufen möchten, achten Sie auf:
- Die Zutatenliste: Wermut, Anis, Fenchel - das muss stehen
- Die Herkunft: Schweizer, französischer oder tschechischer Absinth gilt als besonders authentisch
- Den Alkoholgehalt: Mindestens 45% - alles darunter ist kein echter Absinth
- Den Preis: Echter Absinth kostet mindestens 25 Euro pro Flasche. Unter 15 Euro ist es fast immer ein Fake
Die illegale Phase war keine Verfolgung von Drogen - sie war eine Verfolgung von Angst. Die Gesellschaft fürchtete den Einfluss der Bohème, die Künstler, die Dichter, die Arbeiter, die Absinth tranken. Sie brauchten einen Sündenbock. Und so wurde ein Kräuterlikör zum Symbol des Bösen - obwohl er nur Alkohol mit Geschmack war.
Warum wird Absinth heute wieder populär?
Heute ist Absinth Teil einer größeren Bewegung: die Rückkehr zu handwerklich hergestellten, natürlichen Getränken. Menschen interessieren sich wieder für traditionelle Rezepte, für Aromen, für Geschichten. Absinth ist kein Rauschmittel - er ist ein Genussmittel. Seine Wirkung kommt nicht von Thujon, sondern von der Komplexität seiner Kräuter, vom Ritual des Trinkens, von der Langsamkeit.
Er ist kein Drogenlikör. Er ist ein Kräuterlikör - mit einer Geschichte, die mehr über die Angst der Gesellschaft sagt als über das Getränk selbst.
Was passiert, wenn man zu viel trinkt?
Wenn Sie zu viel Absinth trinken - wie bei jedem starken Alkohol - bekommen Sie eine starke Vergiftung. Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Erbrechen. Das ist nicht anders als bei Wodka oder Gin. Die sogenannten „Absinth-Anfälle“ oder „Halluzinationen“ aus dem 19. Jahrhundert waren in Wirklichkeit Alkoholentzugssymptome oder Vergiftungen durch schlecht hergestellte Produkte mit Blei oder Methanol.
Ein echter, moderner Absinth, der den gesetzlichen Grenzwerten entspricht, ist so sicher wie jeder andere hochprozentige Likör. Er macht nicht wahnsinnig. Er macht nur betrunken - wenn man zu viel trinkt.
Ist Absinth heute noch illegal?
Nein, Absinth ist in Deutschland, der EU und den USA seit den 2000er Jahren legal, solange der Thujongehalt unter 10 mg/L liegt - was bei allen seriösen Marken der Fall ist. Die alten Verbote galten für unkontrollierte Produkte mit hohem Thujon oder Schadstoffen, nicht für den Likör selbst.
Kann man von Absinth halluzinieren?
Nein, nicht mit modernem, legalen Absinth. Die angeblichen Halluzinationen stammten aus der Zeit, als Absinth mit giftigen Zusätzen wie Kupfersulfat oder Methanol versetzt wurde. Echter Absinth enthält zu wenig Thujon, um neurologische Wirkungen zu erzeugen. Der Effekt ist rein psychologisch - durch die Mythen, die sich um das Getränk ranken.
Was ist der Unterschied zwischen Absinth und Wermut?
Wermut ist eine Pflanze, die als Zutat in Absinth verwendet wird. Absinth ist ein destillierter Likör, der aus Wermut, Anis und Fenchel hergestellt wird. Wermutlikör (wie Martini Vermouth) ist ein aromatisierter Wein - er ist nicht destilliert und hat nur 15-20% Alkohol. Absinth ist viel stärker und anders hergestellt.
Warum ist Absinth grün?
Der grüne Farbstoff kommt von Chlorophyll, das sich aus den Kräutern löst, wenn der destillierte Absinth mit frischen Kräutern wie Melisse oder Petersilie nachgezogen wird. Das nennt man coloration. Es ist ein traditioneller Schritt, der den Geschmack verfeinert. Es gibt auch klare Absinthe - die werden nicht nachgezogen und heißen Blanche oder La Bleue.
Kann man Absinth selbst herstellen?
In Deutschland ist es illegal, hochprozentige alkoholische Getränke ohne Lizenz zu destillieren. Selbst wenn Sie nur Kräuter mit Alkohol ziehen, ist das kein echter Absinth - er muss destilliert werden. Die Herstellung von Absinth zu Hause ist nicht nur illegal, sondern auch gefährlich, weil falsche Destillation zu Methanol führen kann - einem tödlichen Gift.
Was tun, wenn Sie Absinth probieren möchten?
Beginnen Sie mit einem kleinen Glas - 30 ml reichen völlig. Verwenden Sie immer Wasser, nie Eis. Probieren Sie einen Schweizer Absinth wie Pernod Ricard oder einen tschechischen wie Lucid. Trinken Sie ihn langsam. Beobachten Sie, wie sich der Geschmack verändert - von bitter über süß bis zu würzig. Lassen Sie sich nicht von Filmen oder Mythen beeinflussen. Absinth ist kein Rauschmittel. Er ist ein Kräuterlikör mit Geschichte - und er schmeckt besser, wenn man ihn respektiert.
Die Illegalität war eine Fehlinterpretation. Die Wahrheit ist einfach: Absinth ist kein Drogenlikör. Er ist Alkohol - mit Geschmack, mit Ritual, mit Seele. Und er ist wieder da - legal, sicher und voller Aromen. Sie müssen ihn nur richtig trinken.