Vielleicht hast du schon mal einen Film gesehen, in dem ein Künstler aus dem 19. Jahrhundert vor einem Glas grüner Flüssigkeit sitzt, die Augen weit aufgerissen, als würde er Halluzinationen haben. Absinth wurde jahrzehntelang als gefährliches, berauschendes Gift verschrien - als Getränk, das den Verstand zerstört. Doch was stimmt wirklich daran? Welches Gift wurde tatsächlich in Absinth hinzugefügt? Die Antwort ist einfacher, als du denkst - und sie hat wenig mit dem zu tun, was die Legenden erzählen.
Der Mythos vom Thujon
Die häufigste Antwort auf die Frage, welches Gift in Absinth enthalten sei, lautet: Thujon. Und ja, Thujon ist ein natürlich vorkommendes ätherisches Öl, das in Wermut, der Hauptzutat von Absinth, vorkommt. Es ist kein künstlich hinzugefügter Stoff, sondern ein Bestandteil der Pflanze selbst. Thujon wirkt in hohen Dosen neurotoxisch - das ist wissenschaftlich belegt. Doch die Menge, die in traditionellem Absinth enthalten ist, ist zu gering, um eine Wirkung zu entfalten.
Ein typisches Glas Absinth (30 ml) mit 60 % Alkohol enthält etwa 10-30 mg Thujon. Um gesundheitliche Schäden zu riskieren, müsstest du mehr als ein Liter davon in kurzer Zeit trinken. Das ist nicht nur unrealistisch - es wäre vorher schon der Alkohol, der dich umhaut. Ein Mensch stirbt an Alkoholvergiftung, bevor Thujon auch nur annähernd eine Rolle spielen könnte.
Warum wurde Absinth verboten?
Das Verbot von Absinth in vielen Ländern Anfang des 20. Jahrhunderts hatte weniger mit Thujon zu tun als mit gesellschaftlichen Ängsten und wirtschaftlichem Interesse. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Absinth in Frankreich extrem beliebt - besonders unter Arbeitern und Künstlern. Er war günstig, leicht verfügbar und wurde oft als Ersatz für Wein getrunken. Doch mit der Industrialisierung und dem Aufstieg der Weinindustrie begannen Politiker und Kirchen, ihn als moralische Bedrohung darzustellen.
Die Medien verbreiteten Geschichten von „Absinth-Epilepsie“ und „Absinth-Wahn“. Ein berühmter Fall war der von Jean Lanfray, einem Schweizer Arbeiter, der 1905 seine Familie erschoss, nachdem er Wein, Cognac und Absinth getrunken hatte. Die Presse machte den Absinth zum Sündenbock - obwohl er nur einen kleinen Teil der Alkoholmenge ausmachte. Der Druck wuchs, und 1915 wurde Absinth in der Schweiz verboten, 1919 in Frankreich, bald danach in den USA und anderen Ländern.
Was war wirklich drin? Kein Hexenwerk, nur Pflanzen
Traditioneller Absinth besteht aus drei Hauptkräutern: Wermut (Artemisia absinthium), Anis und Fenchel. Diese werden mit hochprozentigem Alkohol destilliert. Danach wird das klare Getränk mit weiteren Kräutern wie Melisse, Sternanis oder Blütenfarbstoffen gefärbt - das gibt ihm das charakteristische Grün. Der Farbstoff kommt nicht aus Chemie, sondern aus Chlorophyll, das aus den Blättern der Kräuter gelöst wird.
Der Alkoholgehalt liegt zwischen 45 % und 74 % - viel höher als bei den meisten Spirituosen. Das ist der wahre Grund, warum Absinth so stark wirkt. Es ist kein chemisches Gift, kein LSD, kein Drogenextrakt. Es ist einfach hochprozentiger Kräuterlikör - mit einem Hauch von Wermut, der bitter schmeckt und leicht narkotisch wirken kann, wenn man zu viel trinkt. Aber das gilt für jeden Schnaps.
Thujon in der modernen Produktion
Seit den 2000er-Jahren ist Absinth in der EU, den USA und vielen anderen Ländern wieder legal - aber mit strengen Grenzwerten. In der EU darf ein Liter Absinth maximal 35 mg Thujon enthalten. In den USA sind es 10 mg pro Liter. Diese Grenzwerte sind so niedrig, dass sie selbst bei konsumiertem Liter Absinth keine gesundheitliche Gefahr darstellen. Die meisten modernen Destillateure halten sich sogar strikt daran - oft mit Werten unter 10 mg/L, um sicherzugehen.
Einige kleine Brennereien experimentieren mit höheren Thujon-Werten - aber selbst diese liegen weit unter der toxischen Schwelle. Die meisten „High-Thujon“-Absinthe, die du heute online findest, sind Marketing-Gimmicks. Sie wirken nicht anders als herkömmliche Absinthe. Der Effekt ist immer der gleiche: Alkohol. Punkt.
Die Wirkung: Was du wirklich spürst
Die berühmte „Absinth-Halluzination“ ist ein Mythos. Es gibt keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass Absinth Halluzinationen auslöst, die über den normalen Alkoholeffekt hinausgehen. Wer behauptet, er habe nach einem Glas Absinth Farben gesehen oder mit Geistern gesprochen, hat wahrscheinlich zu viel getrunken - oder war in einer stark suggestiven Umgebung.
Was Absinth tatsächlich bietet, ist eine klare, sanfte Berauschung. Viele Trinker beschreiben es als „klaren Rausch“ - weniger benommen, mehr wach und präsent. Das liegt an der Kombination aus Alkohol und den ätherischen Ölen der Kräuter. Diese können die Wahrnehmung leicht verändern - ähnlich wie ein gut gewürztes Essen den Geschmack verstärkt. Es ist keine Drogenwirkung. Es ist Aromatherapie mit Alkohol.
Was du heute kaufen kannst - und was nicht
Heute gibt es Hunderte von Absinth-Marken auf dem Markt. Die meisten sind in der EU hergestellt - besonders in der Schweiz, der Tschechischen Republik und Frankreich. Achte auf das Etikett: Ein echter Absinth enthält Wermut, Anis und Fenchel. Wenn du „Absinth“ auf der Flasche siehst, aber keine dieser Zutaten auflistet, ist es kein echter Absinth - sondern nur ein farbiger Kräuterlikör.
Vermeide Produkte, die behaupten, „historische Rezepte“ mit „hohem Thujon“ zu verwenden. Sie sind oft teuer, übertrieben vermarktet und enthalten keine magischen Substanzen. Ein guter Absinth schmeckt nach Wermut, Anis und Holz - nicht nach Gift. Und er wirkt wie ein starker Schnaps - nicht wie eine Vision.
Warum dieser Mythos hält
Der Mythos vom giftigen Absinth hält sich, weil er gut funktioniert. Er ist romantisch, gefährlich, künstlerisch. Er passt in die Bilder von Van Gogh, Oscar Wilde oder Baudelaire. Die Wahrheit ist langweiliger: Es war ein starker Alkohol, der in einer Zeit verboten wurde, in der man Angst vor allem hatte, was nicht kontrollierbar war. Die Wissenschaft hat längst bewiesen: Absinth ist kein Gift. Es ist ein Getränk - mit Geschichte, mit Geschmack, mit Alkohol.
Wenn du heute einen Absinth trinkst, trinkst du nicht ein verbotenes Gift. Du trinkst eine Tradition. Eine Kräutermischung, die seit über 200 Jahren hergestellt wird. Und wenn du ihn mit Wasser und Zucker zubereitest - wie es die alten Meister taten - wirst du merken: Es ist kein Rausch, der dich verliert. Es ist ein Moment, der dich wach macht - und das, ohne Gift.
Was du wissen solltest, bevor du trinkst
- Absinth ist kein Drogengetränk - es ist ein hochprozentiger Kräuterlikör.
- Thujon ist kein künstlich hinzugefügtes Gift, sondern ein natürlicher Bestandteil von Wermut.
- Die Menge an Thujon in modernem Absinth ist gesetzlich begrenzt und unschädlich.
- Der starke Effekt kommt vom Alkohol - nicht von irgendeinem „Geisterstoff“.
- Trinke langsam, mit Wasser verdünnt - so wie es die Tradition vorsieht.
Wenn du Absinth trinkst, trinke ihn mit Respekt - nicht mit Angst. Denn das einzige Gift, das du wirklich vermeiden solltest, ist der eigene Übermut.
Ist Absinth heute noch legal?
Ja, Absinth ist in der EU, den USA, Kanada und vielen anderen Ländern legal - aber mit strengen Thujon-Grenzwerten. In der EU darf er maximal 35 mg Thujon pro Liter enthalten, in den USA maximal 10 mg. Die meisten modernen Absinthes liegen deutlich darunter.
Kann man von Absinth sterben?
Man kann nicht an Thujon aus Absinth sterben. Der Alkoholgehalt ist jedoch hoch - zwischen 45 % und 74 %. Ein Mensch stirbt an Alkoholvergiftung, bevor Thujon auch nur annähernd eine Rolle spielen könnte. Trinken Sie Absinth wie jeden anderen hochprozentigen Schnaps: mit Maß und Mitte.
Warum ist Absinth grün?
Das Grün kommt von Chlorophyll, das aus Kräutern wie Melisse, Anis oder anderen Pflanzen extrahiert wird, nach der Destillation. Es ist ein natürlicher Farbstoff - kein künstlicher Zusatz. Einige Absinthes werden auch farblos angeboten („Blanche“), ohne dass sie weniger authentisch wären.
Hat Absinth Halluzinationen verursacht?
Nein, es gibt keine wissenschaftlichen Beweise dafür. Die berühmten Halluzinationen stammen aus der Zeit der Prohibition, als Absinth als Sündenbock für Alkoholmissbrauch und psychische Erkrankungen missbraucht wurde. Die Wirkung ist reine Alkoholwirkung - eventuell verstärkt durch die aromatische Wirkung der Kräuter, aber nicht hallucinogen.
Was ist der Unterschied zwischen Absinth und Wermutlikör?
Wermutlikör ist ein Likör, der Wermut enthält, aber nicht notwendigerweise Anis und Fenchel. Absinth muss laut europäischer Definition mindestens diese drei Kräuter enthalten und wird destilliert, nicht nur angemacht. Absinth ist stärker, klarer und komplexer. Wermutlikör ist oft süßer und weniger intensiv.